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Die Kraft des Dialogs / The Power of Dialogue
Der erste Beitrag. / The first entry.
Liebe Leserin, lieber Leser // Dear Reader (for English below),
in aller erster Linie möchte ich mich bei Euch vielmals bedanken, dass ihr zu den ersten Menschen gehört, die Interesse haben an meinen „Beobachtetes Zeitgeschehen“-Newsletter. Ich bin mir sehr bewusst, dass ihr sicherlich dutzende von Newslettern erhält und erkenne die Last an, die vielen unnützen davon zu löschen. Lange habe ich mit mir in der Überlegung gerungen, welche Form der Kommunikation ich bevorzuge, seitdem ich nach zwei Jahren alle sozialen Medien gelöscht habe und mich praktisch von dem konstanten Bild der Öffentlichkeit entfernte. Damals war mir bewusst, dass ich damit ein wesentliches Sprachrohr aufgrund der fehlenden, konstanten Sichtbarkeit verlieren würde. Seit zwei Jahren war ich also de facto abseits der Öffentlichkeit, und natürlich ist in dieser Zeit sehr viel passiert. Was genau, das möchte ich kurz und prägnant aufzeigen:
Ein 153 Wochen langes Studium der Politikwissenschaft auf dem St. Olaf College in der kleinen Stadt Northfield im kalten Staat Minnesota. Statistikanalyse, Politikgeschichte und Politikphilosophie sowie arbeits- und wirtschaftspolitische Themen haben mich dabei insbesondere in dieser Zeit in den USA konstant begleitet.
Ein 19-Wochen langer Studienaufenthalt an der American University in Washington DC sowie ein 90-Tage langer Aufenthalt als Public Affairs-Fellow in der ehemals von der Stahlindustrie geprägten Stadt Pittsburgh in Pennsylvania an der Carnegie Mellon University. Hier habe ich insbesondere eine Arbeit zum Steuergutschriftsgesetz und den Folgen für die in Armut lebenden Kindern in den USA verfasst.
Auch sind ganze 1445 Tage seit Buchveröffentlichung vergangen. Seitdem kamen 431 Ratings auf Amazon zustande. 12 Leserbriefe haben mich über kurz und fern erreicht. Leider auch weniger schöne Hate-Mailings.
35 bisher gehaltene Lesungen und Vorträge, u.A. für die Friedrich-Ebert-Stiftung, für die Crespo-Stiftung, SPD, BASF, RTL II, Beratungen, der pädagogischen Hochschule Weingarten sowie der amerikanischen Fakultät Carleton-College.
1 Beitrag in den tagesthemen damals über die von Trump verhängte Einreisesperre von F1-Studentenvisa-Inhabern, während COVID-19, die im Onlinesetting studiert haben
Unglaubliche 2.5MIO Menschen haben sich die Dokumentation, die vor Jahren erschien, angeschaut. Auch hier vielleicht die Einfügung, dass ich niemals ganz mit dem Namen des Titels einverstanden war, und in keinem Weg eine Form der liberalen Aufstiegsromantik befeuern würde.
140 A4-equivalente Seiten sind seitdem in Form von Artikeln und Zitaten von mir in Top-Tier-Zeitungen, Magazinen und Fachzeitschriften sowie in wissenschaftliche Publikation erschienen
All die obigen beschriebenen Erfahrungen waren für mich sowohl negative als auch positive Erfahrungen. Negativ insofern als das häufig über meine Geschichte reduktionistisch geschrieben wurde, und der persönliche Bildungsaufstieg mehr Achtung fand als die politische Botschaft meines Buchs. Negativ insofern als dass ich einen wachsenden Kulturkampf in den USA erlebt habe: Demokraten versus Republikaner, Abtreibungsbefürworter versus Abtreibungsgegner, Stadt versus Land, Impfbefürworter versus Impfgegner, aber auch die reale Tatsache, dass in Colleges so gut wie kein einziges Mal die Rolle von Klasse in einer der bürgerlichen Mitte orientierten Gesellschaft beleuchtet wurde und damit die universell-existierenden Probleme, die uns alle gleichermaßen betreffen -- unabhängig von sexueller Orientierung, unsere Ethnizität, politischer Ideologie oder Religion.
Positiv nehme ich das wachsende Interesse für eine gute inhaltliche und philosophische Auseinandersetzung mit den Auswüchsen einer sich entsolidarisierenden Gesellschaft wahr: Mehr Menschen gehen auf die Straße um für ihre Rechte zu kämpfen, für Demokratie aufzustehen und für das Miteinander in Freiheit ein Zeichen zu setzen. Mehr arbeitende Menschen werden sich ihrer einflussreichen Rolle bewusst und treten in den Arbeiterkampf ein bzw. mehr Menschen treten in Gewerkschaften ein. Das sind positive, hoffnungsreiche Entwicklungen im Anblick von einer ekelerregenden Rhetorik und Politik von den “Weidels, Höckes und Gaulands“ in diesem Land.
Als denkendes und politisches Wesen ist mir der offene Raum sehr wichtig, in dem sich ein ernsthafter aber auch aufrichtiger und ehrlicher Diskurs nur befinden kann. Ich sehe diesen Raum als einen, der den offenen und vorurteilsbefreiten Dialog über die eigene Absolutheit in Meinung stellt, der Pluralität statt Einseitigkeit begrüßen sollte und der wirklich authentisch und aufrichtig ist. Es ist der einzige Weg, der meiner Meinung nach eine ernsthafte Interaktion zwischen uns allen ermöglicht.
Der Newsletter befindet sich noch in einem sehr frühen und auch unausgereiften Stadium, weshalb ich es in der Zukunft immer wieder überarbeiten und weiter ausorganisieren werde. Und auch aus dem Grund bin ich sehr an Euren Themen oder Fragen interessiert, die ich in meinem Newsletter aufgreifen kann. Schreibt mir gerne unter [email protected], und scheut Euch nicht Eure Gedanken oder Fragen an mich zu adressieren..
Schlussendlich bleibt mir zu sagen, dass ich der tiefen Überzeugung bin, dass Intimität der Grundsatz ist für gegenseitige, tiefsitzende Anerkennung unsere oft unterschiedlichen Realitäten, die oftmals (leider) von ökonomischen und kulturellen Zwängen geprägt ist. Nur durch starkes Vertrauen unter unseres gleichen können wir in einer gemeinsamen Realität koexistieren anstatt in unseren oft konsensbasierten und selektierten Lebenswelt.
Mit besten Grüßen
Jeremias Thiel
PS: Sofern Ihr nicht den Newsletter wünscht oder ihr versehentlich auf den Newsletter gelandet seid, könnt ihr diesen natürlich auch sehr gerne deabbonieren.
ENGLISH VERSION
Dear Reader,
First and foremost, I would like to thank you very much for being one of the first people to agree to subscribe to “Beobachtetes Zeitgeschehen” – the wording of mine would roughly translates into ‘ Observations of Contemporary Affairs’. I wrestled with myself for a long time about which form of communication I preferred since I deleted all social media after two years and practically removed myself from the constant public image. At the time, I was aware that I would lose critical momentum to make my voice heard due to the lack of constant visibility. So for two years, I was de facto out of the public eye, and of course a lot happened during that time. I would like to explain briefly and concisely what exactly happened:
A 153-week study of political science at St. Olaf College in the small town of Northfield in the cold state of Minnesota. Statistical analysis, political history and political philosophy as well as labor and economic policy issues were a constant part of my studies, especially during this time in the USA.
I spent 19 weeks studying at the American University in Washington DC and 12 weeks as a Public Affairs Fellow at Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania, a city formerly dominated by the steel industry. Here, I worked on a thesis on the tax credit law and its impact on children living in poverty in the United States.
Also, a whole 206 weeks have passed since my book was published. Since then, 431 ratings have been generated on Amazon. In this time, I received a total of 12 letters from readers who were moved by my work. On the flip side, I unfortunately also received some not-so-nice pieces of hate mail.
35 keynotes and lectures held to date, including for the Friedrich Ebert Foundation, the Crespo Foundation, SPD, BASF, RTL II, consultations, Weingarten University of Education and the American faculty of Carleton College.
1 article in the Tagesthemen at the time about the entry ban imposed by Trump on F1 student visa holders during COVID-19 who studied in an online setting
An incredible 2.5 million people watched the documentary, which was published years ago. HEre, I want to mention that I have never agreed to the title of the documentary, (Title: “From a Student of Welfare Recipients to an Elite Student in the US”). I would never dare to falsely propagte the extremely romanticized idea to make it from racks to riches — it’s nothing more than a liberal lie.
140 pages have since appeared in the form of articles and quotes from me in top tier newspapers, magazines, and journals.
All the experiences described above were both negative and positive experiences for me. Negative in that my story was often written about in a reductionist way, and the personal educational advancement was more respected than the political message of my book. It was also negative in that I experienced a growing culture war in the US: Democrats versus Republicans, pro-abortion versus anti-abortion, urban versus rural, pro-vaccination versus anti-vaccination, but also the real fact that colleges almost never shed light on the role of class in a middle-class oriented society and thus the universally-existing problems that affect us all equally -- regardless of sexual orientation, our ethnicity, political ideology or religion
On a positive note, I see a growing interest in a good substantive and philosophical debate about the excesses of a society that is losing solidarity more people are taking to the streets to fight for their rights, stand up for democracy and set an example for living together in freedom. More working people are becoming aware of their influential role and are joining the workers' struggle and more people are joining trade unions. These are positive, hopeful developments in the face of disgusting rhetoric and politics from the likes of Trump and the far-right in this country.
As a creature of thought and politics, I have found myself yearning for a space that allows me to discuss and examine contemporary policies and philosophical issues authentically and earnestly. I see this space as one that should be encouraging dialogue over righteousness, that embraces plurality rather than one-sidedness and that is truly authentic and sincere in nature. It is the only approach that, to my belief, opens an earnest interaction between us all.
It is also clear that I am in the very early stages of this newsletter. It’s a yet-to-be-revised product and that is why I would be very thankful to hear from you what you would like to know and what questions you would find interesting enough to scrutinize. In either way, feel free to write to me at [email protected] and don't be afraid to address your thoughts or questions to me.
Finally, it remains for me to say that I am deeply convinced that intimacy is the principle for mutual, deep-seated recognition of our often different realities, which are often (unfortunately) characterized by economic and cultural constraints. Only through strong trust among our peers can we coexist in a shared reality rather than in our often consensus-based and selective lives.
Best, Jeremias
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